• 04 SEP 19
    Hohe Risiken bei Faltenbehandlungen durch Kosmetikstudios und Heilpraktiker

    Fachärzte für Ästhetisch-Plastische Chirurgie fordern aktuell den Gesetzgeber zum Einschreiten und die Behörden zu schärferen Kontrollen auf. Sie verlangen konkret, dass Faltenunterspritzungen ausschließlich in die Hände von (Fach-)Ärzten gehören und dafür eingesetzte Hyaluronsäure-Präparate rezeptpflichtig werden müssen.
    Sie berufen sich unter anderem auch auf den ab Ende nächsten Jahres geltenden Arztvorbehalt bei Tattoo-Entfernungen, die dann zu Recht nicht mehr in Laserstudios stattfinden dürfen.
    Denn erhebliche Gefahren drohen auch durch unsachgemäß oder mangelhaft in Kosmetikstudios oder Heilpraxen durchgeführte Faltenbehandlungen. Mit Sorge ist zu beobachten, dass derzeit regional geradezu massenhafte Studio-Neugründungen mit dem Angebot von Hyaluronsäure-Unterspritzungen werben und auch Heilpraktiker zunehmend nachziehen. Einer dieser Brennpunkte ist momentan in Berlin zu verorten.

    Faltenbehandlungen sind das Patentrezept im harten Wettbewerbsmarkt

    Angesichts der Überschwemmung des “Marktes” mit Unterspritzungen zu Kampfpreisen bleiben die Qualität und die Sicherheit der Patienten, die in diesem Fall eben keine “Kunden” sind, zusehends auf der Strecke. Selbst von zugelassenen Behandlern, die Qualifikationen vorweisen können, geht durch den Druck mittlerweile eine Gefahr aus. Das Gros wird allerdings von Betreibern ohne entsprechende Zulassung angeführt. Nebenwirkungen und Komplikationen werden aus kommerziellen Gründen in wachsendem Ausmaß verharmlost, ernsthafte Folgen von Behandlungsfehlern maßlos unterschätzt – auf Kosten der hilfesuchenden Patienten.

    Gesetzesverstöße und Regelverletzungen

    Behandlungen mit Botox unterliegen dem Arzneimittelgesetz. Dieses Arzneimittel ist verschreibungspflichtig und darf als potentes Nervengift aus guten Gründen nur von Ärzten angewandt werden. Dennoch werben manche Heilpraktiker offen mit Verfahren, die solcherlei Arzneimittel einsetzen: Dies ist nicht nur extrem unseriös sondern ein klarer Rechtsbruch und den Patienten offenbar nicht genügend bewusst .
    Selbst im weniger riskanten, aber undifferenzierten Einsatz von Hyaluronsäure ohne medizinische Indikation sehen die Fachärzte einen ernstzunehmenden Missbrauch, den es einzudämmen gilt.
    Problembehaftet ist auch der Umgang mit der Aufklärungspflicht über Behandlungsrisiken. Eine vorherige Aufklärung findet vermehrt überhaupt nicht statt oder stellt sich als fachlich unzureichend heraus. Ungeachtet dessen ist eine sachgerechte Information der Patienten ohne angemessene Qualifikation nicht einmal rechtswirksam, so dass sich im Zweifel keine Seite darauf berufen kann.

    Mögliche schwerwiegende Komplikationen, bei denen nur Ärzte eingreifen können

    Leichte und vorübergehende Nachwirkungen wie Rötung, Schwellung und Blutergüsse sind zwar die bekanntesten, aber längst nicht die einzig möglichen Folgen des Eingriffs.
    Bei ungenügendem Wissen über Anatomie und Körperfunktionen ist das Risiko von Behandlungsfehlern hoch. Mit der Injektionsnadel sind Nervenschädigungen sehr schnell gesetzt, die im sensiblen Gesichtsbereich äußerst heikel sein können.
    Trifft der Behandler ein Blutgefäß, kann Hyaluronsäure eine gefährliche Embolie, eine Arterien-Verstopfung, verursachen. Ein Arzt wird bei einem solchen “Versehen” sofort eingreifen und eine drohende Erblindung abwenden. Ein Heilpraktiker oder eine Kosmetik-Fachkraft ist dazu nicht in der Lage und kann die Gefahr nicht einmal erkennen.
    Darin ist sicher das entscheidende Argument der Mediziner zu sehen: Fundierte anatomische und medizinische Kenntnisse mit den entsprechenden Fertigkeiten sind sowohl beim Verfahren selbst als auch im Komplikationsfall unabdingbar.
    Die Konsequenzen trägt am Ende der Patient, womöglich ein Leben lang.
    Die Fachärzteschaft engagiert sich daher für eine sehr strenge Regulierung und Beschränkung derartiger Behandlungen auf fachärztlich qualifizierte Mediziner.

    Rezeptpflicht für Hyaluronsäure als Sofortmaßnahme, Arztvorbehalt nächstes Ziel

    Gesundheitsämter sollten ihrer Kontrollpflicht weitaus konsequenter nachkommen. In der Realität trifft diese Forderung allerdings regelmäßig auf personelle Grenzen, wirksame Kontrollmaßnahmen in der Fläche sind schlicht nicht durchführbar.
    Die Einführung einer ärztlichen Verordnungspflicht für Hyaluronsäure würde den Zugang zum Objekt vieler Begierden deutlich erschweren und könnte deshalb helfen, gegen den Negativtrend schnell Wirkung zu zeigen.
    Mittelfristig geht aus Sicht der Ärzte kein Weg daran vorbei, Faltenunterspritzungen ausschließlich in die Hände von Fachmedizinern zu legen und dem riskanten Treiben Einhalt zu gebieten. Heilpraktiker haben ihre etablierten Tätigkeitsfelder und Kosmetiker müssen bei nichtinvasiven Methoden bleiben.
    Dies ist der Verantwortung gegenüber den Patienten geschuldet und die höheren Behandlungskosten allemal wert.
    Apropos Kosten: Die Kostenübernahme für eventuell notwendige ärztliche Folgebehandlungen wird in der Regel von den Krankenkassen abgelehnt, nur gelegentlich sind sie bereit, einen Anteil mitzutragen, den Rest zahlt der Patient. Auch die Zahlung von Krankengeld kann zum Streitfall werden.

    Ärztliche Verantwortung im Kampf gegen verzerrtes Selbstbild junger Menschen

    Die leichte Verfügbarkeit von Faltenbehandlungen in jedem Studio um die Ecke fördert die überzogenen Schönheitsideale, die vor allem dank Photoshop in sozialen Netzwerken kultiviert werden. Junge Leute geben dem Druck noch leichter nach und sollten daher besonderen Schutz genießen. Auch darin sehen Fachärzte eine wichtige gesellschaftliche Funktion ihrer Tätigkeit: ihr Klientel sind Patienten, keine Kunden.